Ein unerwünschter, aber wohlschmeckender Gast
Eigentlich gehört sie überhaupt nicht auf die Insel Rømø – die Pazifische Auster. Aber wenn sie schon einmal da ist, warum nicht einfach essen? Das denkt sich auch Jakob Martin Anker, der anderen gern den Weg zu den Austernbänken zeigt
Kurz nach Weihnachten hatte Jakob Martin Anker Besuch von einer Gruppe aus Südjütland. Die Besucher wollten zu den Austernbänken vor Rømø (Röm). Einerseits, um die frischen Austern zu probieren, und andererseits, um ausgiebig Muscheln zu ernten und mit ins Ferienhaus zu nehmen, wo sie später in einer netten Runde mit Champagner und ein paar Bier verspeist werden sollten.
Finde ein Ferienhaus in der Nähe von Austernbänken
– Wir haben eingewilligt, dieses Jahr eine weitere Tour zu machen, erzählt Jakob Martin Anker, Inhaber des Erlebnisveranstalters Vadehavetbyfoot.dk, der sich unter anderem auf die Organisation von Ausflügen zu den dicht mit Pazifischen Austern besiedelten Bänken im Wattenmeer spezialisiert hat.
Die Pazifische Auster war ursprünglich nicht im Wattenmeer oder im Gewässer vor Rømø heimisch. Doch als die Europäische Auster von einer Krankheit befallen wurde, nahmen geschäftstüchtige Männer die Austernproduktion mit importierten, widerstandsfähigen Pazifischen Austern auf. Unter anderem wurden 1983 Käfige mit Pazifischen Austern vor Rømø aufgestellt.
Damals hieß es, dass sie in den kalten Gewässern unserer Breitengrade zwar wachsen, sich aber nicht vermehren könnten. Tatsächlich erwies sich jedoch das Gegenteil: Sie gedeihen wirklich sehr gut.
Jakob Martin Anker selbst stieß zum ersten Mal auf Austern, als er zwischen 10 und 12 Jahre alt war. Das war um die Jahrtausendwende, als mehrmals im Jahr Austerntouren für die Mitglieder des dänischen Königshauses veranstaltet wurden. Damals hatte man entdeckt, dass es im Meer vor Rømø zahlreiche unerwünschte, aber wohlschmeckende Muscheln gab. Da Jakob Martin Anker mit einem der Organisatoren der königlichen Austerntouren verwandt war, durfte er mitkommen.
– Es war irgendwie geheim, dass das Königshaus ein paar Mal im Jahr herkam. Also haben wir alle beim Austernsammeln geholfen. Damals lernte ich auch, wie man Austern isst. Und so begann meine Liebe zu diesem wunderbaren Lebensmittel, erinnert sich Jakob Martin Anker.
Heute gibt er dieses Erlebnis mit Vorliebe weiter an Gäste, die Lust haben, selbst einmal Austern zu sammeln und zu essen. Oder vielleicht auch erstmal nur zu probieren, so ein Weichtier herunterzubekommen. Denn das ist nicht immer so leicht, räumt er ein. Manche Menschen müssen erst ihren Mut zusammennehmen, bevor sie eine frische Auster schlürfen.
– Die größte Hürde für Menschen, die zum ersten Mal Austern essen, ist die Konsistenz. Wenn man sie jedoch kocht, wird das Fleisch etwas fester – etwa wie bei gedämpften Miesmuscheln, erklärt er.
– Wenn man mag, kann man sie nach dem Kochen auch etwas würzen. Ich mag sie am liebsten eher neutral. Austern sind ein sehr feines Lebensmittel. Ihr Geschmack ist eher dezent. Wenn man sie mit zu viel Käse, Speck und Sahne zubereitet, schmecken sie meiner Meinung nach nach Käse, Speck und Sahne, sagt er.
– Wer man aber mit der Konsistenz zurechtkommt, bekommt ein fantastisches Lebensmittel. Besonders direkt von der Bank. Frischer geht es nicht. Viele Menschen haben schon einmal gekaufte Austern probiert. Nicht, dass daran etwas auszusetzen wäre, aber dabei handelt es sich um Zuchtaustern, die schon eine Weile unterwegs waren und nicht mehr so frisch sind wie hier draußen, sagt er.
Es besteht keine Gefahr, dass die Austernbänke im Wattenmeer komplett abgeerntet werden. Bei der letzten Zählung kurz vor Beginn der Corona-Pandemie wurde der Austernbestand im Wattenmeer auf rund 72.000 Tonnen geschätzt.
– Sie können von uns nicht ausgerottet werden und haben auch keine natürlichen Feinde. Das Beste, was wir machen können, ist sie zu essen, so Jakob Martin Anker.
Als Faustregel kann man Austern gefahrlos in den Monaten essen, die den Buchstaben R enthalten, also von September bis April. In allen anderen Monaten können die Weichtiere Bakterien enthalten, die zu Magenproblemen führen können.
– Im September muss man allerdings etwas aufpassen, weil das Wasser dann noch etwas zu warm sein kann, und manchmal zieht sich die Austernsaison auch bis Mai. Das mit den Monaten ist also nur eine Faustregel. Ich richte mich nach der Wassertemperatur, die unter 15 Grad liegen muss, um sicherzugehen, dass sich keine unerwünschten Bakterien in den Austern befinden, erklärt Jakob Martin Anker.
Die Touren mit Vadehavet By Foot sind nicht seine Haupttätigkeit. Hauptberuflich arbeitet er in einer Firma, die als Zulieferer für die Ölindustrie aktiv ist. Dort hat er 5 Wochen Bereitschaftsdienst und anschließend 3 Wochen Urlaub. In den Urlaubswochen will er Touren auf seiner Website und in den sozialen Meiden anbieten, damit Leute ihn buchen können.
– Es gibt immer mehr Menschen, die im Rahmen eines Wochenendurlaubs auf Austerntour gehen wollen. Und wenn wir die Touren früh genug legen, können die Leute auf den Bänken sowohl frische Austern essen als auch ernten, um sie später in ihrer Ferienunterkunft zuzubereiten.
Man muss nicht zwangsläufig einen Guide anheuern, wenn man Appetit aus Austern hat. Grundsätzlich darf jeder auf die Bänke hinauswaten und drauflos ernten.
– Trotzdem ist es ratsam, sich von jemandem wie mir beraten zu lassen oder im örtlichen Naturzentrum nachzufragen. Man muss nämlich ins Watt gehen, während das Wasser noch zurückgeht. Es darf nicht zu neblig sein, und auch die Windverhältnisse müssen berücksichtigt werden. Denn wenn man da draußen festsitzt und das Wasser steigt, wird es kalt und nass. Ein Guide ist also eine gute Sache – zumindest beim ersten Mal. Ich hatte viele Kunden, die ich später wiedergesehen habe, als sie auf eigene Faust unterwegs waren, sagt Jakob Martin Anker.